Zur Geschichte der Psychiatriekritik im 19. Jahrhundert[1]
Von Eric J. Engstrom
Überblickt man die Literatur der letzten fünfzig Jahre, lässt sich mühelos eine starke historiographische Tradition identifizieren, die die Geschichte der Psychiatrie als eine Geschichte der sozialen Diskriminierung, der Einschließung und Verwahrung und damit auch implizit als Psychiatriekritik schreibt. In der letzten Hälfte des 20. Jahrhunderts ist diese Tradition vor allem durch das Werk solcher Autoren wie Michel Foucault, Robert Castel, David Rothman und Andrew Scull artikuliert und belebt worden.[2] Sofern diese Tradition einer aus den Federn von psychiatrischen Fachvertreter stammenden – nicht selten und zu Recht als ‚whiggish‘ oder fachlich eigennützig abgetanen – Historiographie gegenüber stand und immer noch steht, ist sie unter dem Begriff der „großen Revision“[3] historiographisch zusammengefasst worden. Inzwischen weist diese Tradition alle Eigenschaften einer in die Jahre gekommenen Meistererzählung auf und man wird den hier vorgestellten „Aufruf“ aus dem Jahr 1892 im Kontext dieser historiographischen Entwicklung zu deuten haben.
Dies ist umso eher der Fall, als die Quelle selbst auf eine Psychiatriekritik verweist, die viel weiter zurückliegt, als man für gewöhnlich annimmt. Sie verdeutlicht, dass man bereits im 19. Jahrhundert Widerstands- und Protestformen begegnet, die die Entwicklung psychiatrischer Einrichtungen in ganz Europa bis heute begleiten und beeinflusst haben. Auch wenn eine umfassendere Geschichte dieser unterschiedlichen Protestformen im europäischen Rahmen noch nicht geschrieben wurde, besteht kein Zweifel über ihren transnationalen Umfang. Nach Andrew Scull haben Proteste der 1860er und 1870er Jahre in England, Frankreich und den USA zu einer „Krise der Legitimität“ der Anstaltspsychiatrie geführt.[4] Diese Proteste richteten sich unter anderem gegen die hygienische Zustände in den meist stark überfüllten Anstalten, gegen die Internierung oder das Festhalten von geistig gesunden Personen, oder gegen die frühzeitige Entlassung von vermeintlich ‚gemeingefährlichen‘ Patienten. In England wurden vor allem Privatanstalten zu Zielscheiben von „persistent disparagement and censure.“[5] In Frankreich entstand ab den 1860er Jahre eine Laienbewegung, die die Notwendigkeit von großen, medizinischen Einrichtungen in Frage stellte.[6] Ende der 1880er Jahre füllten sich europaweit Tageszeitungen mit Skandalberichte über die sogenannte Seillière Affair und boten Anlass, die seit dem zweiten Drittel des Jahrhunderts entstehenden und von vielen als gesundheitliche Errungenschaft hochgepriesene Anstaltswesen für Geisteskranke nunmehr als „les Bastilles modern“ anzugreifen.[7] Auch in den USA formierte sich der Widerstand gegen die vermeintlichen Missbräuche der sogenannten Alienists durch die Gründung der National Association for the Protection of the Insane and the Prevention of Insanity im Jahre 1880.[8] Wegen solchen Ereignissen ist das späte 19. Jahrhundert als eine durch eine antipsychiatrische „Kultur“ oder „Bewegung“ geprägte Epoche charakterisiert worden.[9]
Gleiches lässt sich für Entwicklungen in Deutschland konstatieren. Bereits während der Revolution von 1848 wurde gegen Anstalten protestiert, in dem sich angeblich „Reactionäre“ versteckt hätten.[10] Anfang der 1860er Jahre berichteten Zeitungen in ganz Deutschland von Missbräuchen in dem Asyl Hornheim in Schleswig-Holstein.[11] Ab den 1880er Jahre weiteten sich Proteste aus und gipfelten vorerst um 1900 in einer politisch breit ausgefächerten „anti-Psychiatrie Bewegung“.[12] Die hier vorgestellte Quelle gilt in der historischen Forschung als entscheidender Schritt, ja katalysierender Auftakt, der bis ins frühe 20. Jahrhundert hinein andauernde Proteste gegen psychiatrische Einrichtungen.
An politische Brisanz fehlte es dem am 9. Juli 1892 veröffentlichten Aufruf nicht. Wahrscheinlich verfasst oder zumindest inspiriert vom Hofprediger Adolf Stoecker, wurde er unterzeichnet von mehr als einhundert einflussreichen adeligen Gutbesitzern, Pastoren, Zeitungsredakteuren, Antisemiten und Mitgliedern des preußischen Abgeordneten- und Herrenhauses.[13] Erschienen ist er in der konservativen Kreuzzeitung, die die Interessen des feudalen Junkertums vertrat und als politisches Organ einer kleinen, aber gut vernetzten Gruppe protestantischer Konservativen als am äußersten rechten Rand des politischen Spektrums ansässig galt.[14] In den späten 1880er Jahre hatten diese Konservativen aktiv gegen Bismarcks Kartell-Regierung und die Aufhebung der Sozialistengesetze agiert. Auch nach der Entlassung Bismarcks galt die Kreuzzeitung als wichtiges Sprachrohr der konservativen Opposition gegen die Regierung Caprivi. Mit christlichem Missionseifer versuchte man den vermeintlich verderblichen Einfluss der modernen Gesellschaft zu bekämpfen, ständisch-korporative Institutionen wiederzubeleben, die Menschen zum Christentum zurückzuführen und den allgemeinen Werteverfall der Nation aufzuhalten. Zur größeren Ehre der Hohenzollernmonarchie sollte dem wachsenden Einfluss sowohl des weltweiten Kapitalismus als auch der Sozialdemokratie Einhalt geboten werden. Sofern der Aufruf dazu dienen sollte, die Öffentlichkeit gegen die Regierung Caprivi zu mobilisieren, war er also viel mehr als nur eine Kritik an psychiatrischen/juristischen Einrichtungen im wilhelminischen Deutschland.
Zugleich wurden dabei die Psychiatrie bzw. psychiatrisch-forensische Experten von christlich-konservativen Machtinteressen politisch instrumentalisiert. Durch die Mobilisierung der Öffentlichkeit und den Vorschlag, aus „unabhängigen Männern“ bestehenden Kommissionen zu bilden, galt es Interessen und Privilegien zu schützen, die man durch den Ausbau des Rechtsstaates und der Ausdehnung medizinisch-wissenschaftlicher Expertise für gefährdet hielt. Diese Bereitschaft der Kreuzzeitung, psychiatrische Themen aufzugreifen und für ihre politische Zwecke nutzbar zu machen, zeigte sich auch später bei der sogenannten Caligula Affäre. Dieser erste Medienskandal des Wilhelminischen Reiches wurde im Mai 1894 von der Kreuzzeitung angefacht und führte zu einem medialen „Ringen um die Gunst des Kaisers“. Dabei galt es den Monarch vor dem von Ludwig Quidde vermeintlich geäußerten Vorwurf des „Cäsarenwahnsinn“ zu schützen. Mit Blick auf die politische Instrumentalisierung der Psychiatrie und das Zurückdrängen „autoritativ daherkommender medizinischer Deutungen politischer Erscheinungen,“[15] kann man den Aufruf als einen Vorläufer der Caligula-Affäre deuten.
Doch es standen auch handfeste sozial- und wirtschaftspolitische Interessen der Kirchen hinter der heftig geführten Diskussion um den Aufruf. Denn im Juli 1891 war das preußische Unterstützungswohnsitzgesetz dahingehend geändert worden, das preußischen Provinzen die Verantwortung für die Sicherstellung der angemessenen institutionellen Pflege der Geisteskranken übertragen wurde. Die Revision des Gesetzes und seine bevorstehende Ausführung 1893 stellte in Aussicht, dass die preußische Provinzen ihren finanziellen Verpflichtungen nicht durch den Bau neuer, staatlich getragener Anstalten nachkommen mussten, sondern stattdessen durch die kostengünstigere Alternative subventionierter Einrichtungen, die von protestantischen Organisationen wie etwa der Inneren Mission geleitet wurden.[16] Umso wahrscheinlicher erschien dieses Möglichkeit, weil seit Jahren eine protestantische Sozialreformbewegung – allen voran die Innere Mission und ihr unermüdlicher Verfechter Friedrich Bodelschwingh – mit Erfolg den kirchlichen Einfluss auf die Krankenhaus- und Wohlfahrtsdienste ausgedehnt hatte.[17] Je mehr Adolf Stoecker und seine Verbündeten das öffentliche Vertrauen in die psychiatrischen Institutionen untergruben, desto besser standen die Chancen protestantischer Reformer, ihr Programm konfessionell geleiteter Einrichtungen voranzubringen.[18]
Die im Aufruf zur Sprache gebrachte Kritik an ärztlich-juristische Übergriffe und die Forderung nach Laienkommissionen wurde daher in psychiatrischen Kreisen sofort als Vorstoß einer neuen „geistlichen Psychiatrie“ gedeutet.[19] Dass Provinzialregierungen bzw. Landesarmenverbände sich geneigt zeigten, Patienten in konfessionelle Anstalten pflegen zu lassen, erschien nach Ansicht vieler Psychiater als Rückfall ins traitment morale des frühen 19. Jahrhunderts und einen Angriff auf die medizinische Grundsätze, auf dem sie seit Jahrzehnten ihr Fach aufzubauen versucht hatten.
Der Verein deutscher Irrenärzte reagierte auf den Kreuzzeitungsartikel auf seiner Jahrestagung in Frankfurt 1893 mit einem Vortrag zweier Anstaltspsychiater, Fritz Siemens und August Zinn.[20] In ihren Ausführungen rechneten sie kompromisslos mit Stoeker, Bodelschwingh, und dem von ihm 1889 ins Leben gerufenen Verband deutscher evangelischer Irrenseelsorger ab. Sie zeichneten ein Schreckensbild religiös-motivierter Fürsorge und deckten die Verbindungen zwischen Stöckers Forderungen nach einer besseren Überwachung der Anstalten und den Interessen der protestantischen Krankenhäuser auf. Siemens und Zinn waren besonders darüber erzürnt, dass konfessionelle Gruppen auf der Grundlage ihrer langjährigen Erfahrung in der Pflege unheilbarer Patienten jetzt auch noch damit beginnen sollten, Anstalten für heilbare Patienten zu errichten. Gemeinsam mit der Inneren Mission verfolgte der Verband deutscher evangelischer Irrenseelsorger das Ziel, „den Ärzten die Leitung der Heil- und Pflegeanstalten für Geisteskranke überhaupt aus der Hand zu nehmen und in die Hände der Kirche zurückzubringen.“[21] Mit derartigen Herausforderungen ihrer professionellen Autorität konfrontiert, nahmen die Teilnehmer der Versammlung einstimmig einen Katalog von Resolutionen an, der die Krankenhäuser, die von christlichen Vereinen und Orden geleitet wurden, für untauglich erklärte und eine Gesetzgebung forderte, die sicher stelle, dass alle psychiatrischen Einrichtungen von medizinisch ausgebildete Experten betrieben wurden.
Auch wenn die vom Verein deutscher Irrenärzte abgegebenen Resolutionen in den Ministerien ungehört blieben, folgte ein hitziger Schlagabtausch der sich bekämpfenden Parteien.[22] Vertreter der Psychiatrie warfen der Kirche eine Neigung zu Exorzismus und Hexenjagden wie im 17. Jahrhundert vor. Dem traten Kirchenvertreter mit dem Vorwurf des kalten wissenschaftlichen Materialismus entgegen. Die Irrenärzte brandmarkten eine sogenannte pastorale Psychiatrie, die psychische Krankheit als das Produkt von Teufelsmächten und individuellen Sünden auslegte. Dagegen stellten Bodelschwingh und seine Verbündeten jegliche Monopolansprüche der Psychiatrie hinsichtlich der Versorgung von psychisch Kranken in Frage und prangerten die Unfähigkeit der Psychiatrie an, ein verlässliches, wissenschaftlich fundiertes Klassifikationssystem der Geisteskrankheiten herzustellen.
Neben den Angriffen führender Vertreter der Inneren Mission füllten sich die regionalen und nationalen Zeitungen mit skandalträchtigen Schilderungen über die Zustände in psychiatrischen Institutionen. In der ersten Hälfte der 1890er Jahren, die von psychiatrischer Seite als eine „Ära des Misstrauens“[23] beschrieben wurde, sah sich die Psychiatrie mit zahlreichen Missbrauchsvorwürfen öffentlich konfrontiert. Juristen reagierten mit Gesetzesentwürfen und einem ganzen Strauß von Reformempfehlungen, darunter auch die sogenannten Göttinger Sätze, die von einer Gruppe konservativer Juristen abgefasst worden waren, um eine Reform der Einweisungspraxis voranzutreiben.[24] Sensationelle Berichtserstattung über Gerichtsprozesse vor allem in Aachen, aber auch in Bonn und anderswo lieferten den Anstoß für die in der zweiten Hälfte der 1890er Jahre sich bildende Reformbewegung, die eine intensive und bürgernahe Aufsicht über das Anstaltswesen und ein umfassendes Reichsirrengesetz forderte.[25]
Obwohl diese von psychiatrischen Laien getragene Bewegung von verschiedenen Prämissen und Zielen angetrieben wurde, breitete sie sich schließlich über das gesamte politische Spektrum aus.[26] Nachdem antipsychiatrische Ressentiments im Anschluss an die Attacken Stoeckers in den breiten öffentlichen Diskurs eingedrungen waren, sprangen sie vor allem ab Mitte der 1890er Jahre auf linksliberale und sozialdemokratische Parlamentarier über und begannen, sich um eine Reihe von Publikationen und Vereinigungen herum zu verfestigen.[27] Daraufhin war der psychiatrische Berufsstand hinsichtlich seiner Einweisungs- und Entlassungspraxis einem starken Druck ausgesetzt. Im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts sahen sich Irrenärzte mit einer immer besser organisierten und lautstarken Opposition konfrontiert, die ihre Unterstützung von ehemaligen Patienten und Verwandten über ein weites Spektrum der politischen Landschaft hinweg erhielt.[28]
Ein historiographisch-reflexiver Umgang mit dieser Quelle stellt den Mythos einer kritischen Ursprünglichkeit der Revisionisten der 1960er und 1970er Jahre in Frage. Die Quelle unterstreicht erneut, dass die Geschichte der Psychiatriekritik keineswegs ihren Ausgang in den Schriften von Laing, Cooper, Szasz, Basaglia oder anderer Kritiker der 1960er Jahre nimmt. Tatsächlich reicht diese Geschichte weit ins 19. Jahrhundert zurück und sie ist in simple politische Kategorien wie ‚links‘ oder ‚rechts‘ nicht zu fassen.[29] Sie ist auch nicht durch eine Patientenperspektive adäquat darzustellen und erfordert vielmehr einen breiten Horizont, der von der Subjektivität des einzelnen Patienten bis hin zu gesamtpolitischen und -gesellschaftlichen Kontexten reicht und dabei die (zwar hier nicht behandelte, aber wichtige) binnenwissenschaftliche Kritik nicht unberücksichtigt lässt.
Es ist zu erwarten, dass die Geschichte der Psychiatriekritik weiter historisiert und transnationalisiert wird.[30] Dieser Trend, bei dem auch europäisch-vergleichende Analysen der Gemeinsamkeiten und Unterschiede in der Psychiatriekritik dringend benötigt werden, wird uns sicherlich Anlass dazu geben, neu über die psychiatriekritische Geschichten, die wir so gerne und oft erzählt haben, nachzudenken.
Vor Jahren hat Andrew Scull gegenüber psychiatrischen Fachvertretern zu Recht darauf insistiert, dass die Psychiatrie und ihre Geschichte sich zwar nicht nur mit Fragen der sozialen Kontrolle, sehr wohl aber auch (und nicht bloß zufällig) mit diesen Fragen auseinanderzusetzen haben.[31] Es zeugt von dem Erfolg der Revisionisten, dass man heute eher darauf insistieren muss, dass die Geschichte der Psychiatriekritik zwar auch mit Fragen der sozialen Kontrolle, aber eben nicht nur mit diesen Fragen zu tun hat. Eine Vertiefung der Geschichte der Psychiatriekritik im europäischen Vergleich kann einen Beitrag zu dieser historiographischen Neuakzentuierung leisten. Denn sie würde eine bessere Einschätzung des Primats der Psychiatriekritik in der psychiatrischen Historiographie ermöglichen und damit einer Flucht „aus dem Gewissenhaben in das Gewissensein“[32] vorbeugen.
[1] Essay zur Quelle: Kritik am Umgang mit Geisteskranken und Aufruf zur Änderung der Praxis, in: Neue Preußische Zeitung, Morgenausgabe, Nr. 315 (9. Juli 1892); [Transkript].
[2] Foucault, Michael, Folie et Déraison: Histoire de la folie à l’âge classique, Paris 1961; Rothman, David, The Discovery of the Asylum: Social Order and Disorder in the New Republic, Boston 1971; Castel, Robert, L'Ordre psychiatrique: L'Age d'or de l'aliénisme, Paris 1976; Scull, Andrew T., Museums of Madness: The Social Organization of Insanity in Nineteenth-Century England, New York 1979.
[3] Micale, Mark; Porter, Roy (Hgg.), Discovering the History of Psychiatry, New York 1994, 7.
[4] Scull, Andrew, Psychiatry and Social Control in the nineteenth and twentieth centuries, in: History of Psychiatry 2 (1991), 149-169. Zum Protest in Italien und Dänemark vgl. Guarnieri, Patrizia, Alienists on Trial: Conflict and Convergence Between Psychiatry and Law (1876-1913), in: History of Science 29 (1991), 393-410 und Reisby, Niels, An Anti-Psychiatry Debate of the 1890’s, in: The Department of Psychiatry: Kommunehospitalet Copenhagen, 1875-1975, hg. von Fini Schulsinger u.a., Copenhagen 1975, 15-20.
[5] Vgl. Parry-Jones, William Llywelyn, The Trade in Lunacy: A Study of Private Madhouses in England in the Eighteenth and Nineteenth Centuries, London 1972, 220-280, hier 220. Vgl. auch Lowe, L., The Bastilles of England: Or the Lunacy Laws at Work, London 1883.
[6] Dowbiggin, Ian, Inheriting Madness: Professionalization and Psychiatric Knowledge in Nineteenth-Century France, Berkeley 1991, 4.
[7] Fauvel, Aude, A World-Famous Lunatic: The ‚Seillière Affair‘ (1887-1889) and the Circulation of Anti-Alienists’ Views in the Nineteenth Century, in: Transnational Psychiatries: Social and Cultural Histories of Psychiatry in Comparative Perspective c. 1800-2000, hg. von Ernst, Waltraud; Müller, Thomas, Newcastle 2010, 200-228.
[8] Sichermann, Barbara, The Quest for Mental Health in America, 1880-1917, New York 1980, 13-74; Grob, Gerald N., The Mad Among Us: A History of the Care of America’s Mentally Ill, New York 1994, 129-138.
[9] Vgl. Fauvel, 203 und 207.
[10] Laehr, Heinrich, Die Aufsicht über die Privatanstalten für Psychisch-Kranke, in: Allgemeine Zeitschrift für Psychiatrie 44 (1888), 103-115.
[11] Vgl. Hamann, Peter, Peter Willers Jessens ehemaliges Asyl Hornheim in Kiel: Ein Beitrag zur Psychiatriegeschichte Schleswig-Holsteins, in: Historia Hospitalium 12 (1977-8), 69-95; Jessen, Peter Willers, Das Asyl Hornheim, die Behörden und das Publicum, Kiel 1862.
[12] Zur Geschichte der Bewegung vgl. Brückner, Burkhart, Delirium und Wahn: Geschichte, Selbstzeugnisse und Theorien von der Antike bis 1900, 2 Bde., Hürtgenwald 2007, Bd. II, 161-177; Engstrom, Eric J., Clinical Psychiatry in Imperial Germany: A History of Psychiatric Practice, Ithaca 2003, 174-198; Goldberg, Ann, The Mellage Trial and the Politics of Insane Asylums in Wilhelmine Germany, in: Journal of Modern History 74 (2002), 1-32; Schmiedebach, Heinz-Peter, Eine ‚antipsychiatrische Bewegung‘ um die Jahrhundertwende, in: Medizinkritische Bewegungen im deutschen Reich (ca. 1870 bis ca. 1933), hg. von Dinges, Martin, Stuttgart 1996, 127-159; Dieckhöfer, Klemens, Frühe Formen der Antipsychiatrie und die Reaktion der Psychiatrie, in: Medizinhistorisches Journal 19 (1984), 100-111; Dahm, Andreas, Zum Phänomen der Antipsychiatrie seit dem 19. Jahrhundert, Diss. med., Universität Bonn, 1983; Kick, H., Antipsychiatrie um 1900: Zur Tradition des Konfliktes zwischen Psychiatrie und Pressenberichtserstattung, Der Nervenarzt 53 (1982), 299-300; Beyer, Zur ‚Irrenreform‘-Bewegung, in: Psychiatrisch-Neurologische Wochenschrift 13 (1911/12), 160-166. In ihrer „Krisengeschichte der Psychiatrie“ (S. 101) hat Cornelia Brink unterschieden zwischen einer ersten Krise zwischen 1848 und 1868 und einer zweiten um 1900. Vgl. Brink, Cornelia, Grenzen der Anstalt: Psychiatrie und Gesellschaft in Deutschland 1860-1980, Göttingen 2010, 101-108, 193-204.
[13] Jüdische Leiter von Privatanstalten waren Zielscheiben dieser Kritik. Zu den antisemitischen Motiven hinter dem Kreuzzeitungsartikel vgl. Schmiedebach. Der Anstaltspsychiater Carl Pelman hat „das Treiben“ der Kreuzzeitungsredakteure als „ein Symptom der Zeit, als ein Symptom des Antisemitismus“ beschrieben. Vgl. Allgemeine Zeitschrift für Psychiatrie 50 (1894), 347-8. Im preußischen Abgeordnetenhaus hatte Stoecker die Einweisungspraxis psychiatrischer Anstalten mehrfach thematisiert. Vgl. dazu Beyer.
[14] Bussiek, Dagmar, „Mit Gott für König und Vaterland!" Die Neue Preußische Zeitung (Kreuzzeitung) 1848-1892, Münster 2002.
[15] Vgl. Kohlrausch, Martin, Der Monarch im Skandal: die Logik der Massenmedien und die Transformation der wilhelminischen Monarchie, Elitenwandel in der Moderne, Berlin 2005, 121.
[16] Für ein Beispiel der Auswirkung des Gesetzesänderung auf die provinziale Geisteskrankenfürsorge vgl. Schaffer, Wolfgang, Die Pflegeanstalt Mariaberg bei Aachen (1885-1900) und der Umbruch der provinzialen Geisteskrankenfürsorge auf dem Hintergrund des ‚Alexianerskandals‘, in: Annalen des Historischen Vereins für den Niederrhein insbesondere das alte Erzbistum Köln 202 (1999), 155-192. Siehe auch Siemens, Fritz; Zinn, August, Zur Frage der Reform des Irrenwesens in Deutschland, insbesondere in Preussen, in: Allgemeine Zeitschrift für Psychiatrie und psychisch-gerichtliche Medizin 52 (1896), 818-839.
[17] Zur Expansion konfessioneller Krankenhäuser in Deutschland siehe Labisch, Alfons, Die Allgemeinen Krankenhäuser der Städte und der Religionsgemeinschaften Ende des 19. Jahrhunderts: Statistische und juristische Anmerkungen am Beispiel Preußens (1877-1903), in: ‚Einem jeden Kranken in einem Hospitale sein eigens Bett‘: Zur Sozialgeschichte des Allgemeinen Krankenhauses in Deutschland im 19. Jahrhundert, hg. von Labisch, Alfons; Spree, Reinhard, Frankfurt/M 1996, 297-319.
[18] So August Zinn, hier zitiert nach Beyer, 426.
[19] Anonyme Notiz in: Allgemeine Zeitschrift für Psychiatrie 50 (1894), 869.
[20] Siemens, [Fritz]; Zinn, [August], Psychiatrie und Seelsorge, in: Bericht über die von dem Verein der deutschen Irrenärzte in der Jahressitzung vom 25. Mai 1893 zu Frankfurt a/M. gepflogenen Verhandlungen und gefassten Beschlüsse, hg. vom Verein der deutschen Irrenärzte, München 1893, 1-17.
[21] Ebd., 6.
[22] Vgl. Kurella, H[ans], Das preussische Irrenwesen im Lichte des Processes Mellage, in: Zentralblatt für Nervenheilkunde und Psychiatrie 18 (1895), 337-344 und Beyer, 427 und 442.
[23] Fürstner, Karl, Wie ist die Fürsorge für Gemütskranke von Aerzten und Laien zu Fördern?, Berlin 1900, 32.
[24] Vgl. hierzu Kirchenheim, Arthur; Reinartz, Heinrich, Zur Reform des Irrenrechts: Elf Leitsätze zur Besserung der Irrenfürsorge und Beseitigung des Entmündigungsunfugs, Barmen 1895 und Allgemeine Zeitschrift für Psychiatrie 51 (1895), 845-6.
[25] Vgl. Goldberg sowie Orth, Linda u.a., Pass op, sonst küss de bei de Pelman: Das Irrenwesen im Rheinland des 19. Jahrhundert, Bonn 1994, 95-107.
[26] Vgl. der Sitzungsbericht des Vereins deutscher Irrenärzte in der Deutschen Medizinischen Wochenschrift, 19 (1893), 534.
[27] Vgl. die Reichstagsdebatten von 1897, 1898, und 1902 in Beyer, 450-530, 539-79, und 586-602 sowie Juliusburger, Otto, Psychiatrische Tagesfragen, in: Allgemeine Zeitschrift für Psychiatrie 69 (1912), 121-138. Zu den wichtigsten Organisationen zählten der Irrenrechtsreformverein (gegr. 1897) und der Bund für Irrenfürsorge und Irrenrechts-Reform (gegr. 1909).
[28] Zu den Folgen für die Psychiatrie in Deutschland, vgl. Engstrom, 184-198.
[29] Vgl. hierzu die neue Studie von Brink.
[30] Vgl. Gijswijt-Hofstra, Marijke (Hg.), Cultures of Psychiatry and Mental Health Care in the Twentieth Century: Comparisons and Approaches, Amsterdam 2005; Double, Duncan B., The History of Anti-psychiatry: An Essay Review, in: History of Psychiatry 13.2 (2002), 231-236.
[31] Scull, Andrew, The Insanity of Place / The Place of Insanity: Essays on the History of Psychiatry, London 2006, 12.
[32] Odo, Marquard, Abschied vom Prinzipiellen: Philosophische Studien, Stuttgart 1981, 57.
Literaturhinweise
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Suzuki, Akihit, Madness at Home: The Psychiatrist, the Patient, & the Family in England, 1820-1860l, Berkeley 2006.
Wetzell, Richard F., Psychiatry and Criminal Justice in Modern Germany, 1880-1933, in: Journal of European Studies 39 (2009), 270-289.